Hier veröffentlichen wir einige der Geschichten über die naTo aus unserem Buch und zusätzlich die Geschichten, die im Buch keinen Platz mehr gefunden haben, oder bei Redaktionsschluss noch nicht vorlagen (mit * gekennzeichnet). Teilweise mussten wir Geschichten im Buch etwas einkürzen. Hier auf der Webseite stehen die ungekürzten Fassungen (mit ** gekennzeichnet).
Vorwort
Auf zu den Geschichten, den kleinen und den großen

Bettina Bock
Redaktion
Der Wortwitz der Abkürzung naTo erschließt sich nicht unbedingt auf Anhieb – oder sogar gar nicht (Seiten 129, 155, 183, 188). Irgendwann bekommt man dann mit: naTo leitet sich von „Nationale Front“ ab. Die abgekürzten Silben stimmen zwar irgendwie nicht ganz mit der Vollform überein, aber wer in der DDR den subversiven Scherz will, muss Abstriche machen: Die kleine naTo im kleinen Warschauer-Pakt-Staat DDR mit nur einem Großbuchstaben sollte provokativ neben der großen mit vier Großbuchstaben im feindlichen Block stehen. Ein Blick in das Kleine Politische Wörterbuch, die marxistisch-leninistische Volksbibel mit poppig rosafarbenem Umschlag, verrät uns zum Stichwort Nationale Front:
„In Verwirklichung des Programms der SED, der Beschlüsse ihrer Parteitage und der Kongresse der N.F. finden sich in der N.F. die Parteien, Massenorganisationen und die parteilosen Bürger zusammen, um aktiv an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR mitzuwirken.“
Da weiß man jetzt noch nicht so viel mehr. Der Republik-Neuling findet sich unerwartet in einem Genitivhaufen wieder. Der DDR-Erfahrene nickt frühzeitig über den Phrasen ein.
„die N.F. ist Träger der Wahlen zur Volkskammer, zu den Bezirkstagen, Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen“
„durch ein reges geistig-kulturelles und sportliches Leben in den Wohngebieten und Hausgemeinschaften fördert die N.F. […] die Herausbildung sozialistischer Beziehungen zwischen den Menschen und die Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten; im Wettbewerb ‚Schöner unsere Städte und Gemeinden – Mach mit!‘ trägt die N.F. […] zur schönen und kulturvollen Gestaltung der Städte und Dörfer bei“
Abgesehen vom Stichwort Sozialismus gilt diese Beschreibung für die naTo immer noch praktisch uneingeschränkt: Sie fördert den innovativen und ästhetisch geschmackvollen Schiffs- und Fahrzeugbau, sie bietet der Schönheit in der Bewegung am Ball eine Plattform. Sie geht damit auch heute der ehrenvollen Aufgabe nach, die Beziehungen zwischen den Menschen und die Persönlichkeitsentwicklung des Inviduums zu fördern. Zu einigen fruchtbaren Ergebnissen, respektive Auswüchsen siehe die Seiten 142, 164, 177. Auch für manchen Moderator sind einige dieser naTo-Veranstaltungen mit unvergesslichen Erinnerungen und offenbar auch beinahe traumatischen Erlebnissen verbunden (S. 190).
Neben diesen jährlichen Höhepunkten des gepflegten kollektiven Blödsinns gibt es natürlich die ernste(re) Seite. Musik, Theater, Performance seit 30 Jahren. Treffpunkt der „alternativen Kunst- und Kulturszene“ in den 80ern. Sicher war nicht jede Nische hier beheimatet, aber viele. Die naTo war offen – ganz praktisch und DDR-typisch vor allem für diejenigen, die den Hausmeister kannten und von ihm die Schlüssel bekamen (S. 152).
Das ist das Spannungsfeld der Geschichten in diesem Buch: Geschichten von Kunst, Liebe, Musik und der Kuriosität (und Liebenswürdigkeit) des Alltags.
In vielen Erzählungen geht es um die Sehnsucht nach Musik – aus Fernost oder -west (Ostwind wehte stets ins Programm, S. 172). In anderen geht es um Erinnerungen an ganz Neues und Unerwartetes auf der Bühne in der Wende- und Nachwendezeit (S. 166, 179). Und es gab Debüts: Rammstein brachen Mitte der 90er in ihrem allerersten Konzert über ein gerade noch gutgelauntes, dann irgendwie aus dem inneren Gleichgewicht gebrachtes Publikum herein (S. 168). An Olaf Schuberts ersten Auftritt in der naTo können wir uns leider nicht erinnern, aber wir sind uns mit ihm einig: Es muss ihn gegeben haben (S. 146).
Ein Gegenstand taucht immer wieder auf: Die Legende von den Baseballschlägern (ist es eine?) charakterisiert die Nachwendezeit in Leipzig auf prägnante Weise (S. 126, 128, 162). Und auch die Liebe kommt nicht zu kurz: Eyes Wide Shut in der naTo – aber nicht der Film, sondern mysteriös-erotische Abenteuer wie in Schnitzlers Traumnovelle: eine Erzählung von Indianern, Zwieback und freizügigen Spontanszenen (S. 139).
Diese und weitere Geschichten lassen sich auf den folgenden Seiten durchblättern – auf einem schmunzelnden oder gerührten, beobachtenden oder nacherlebenden und auf jeden Fall persönlichen Streifzug durch drei Jahrzehnte naTo.
Bettina Bock
Redaktion
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Verzeichnis der Geschichten
Geschichte | Autor | Buch Seite |
---|---|---|
"Wo sind denn hier die Baseballschläger??!!" | Volker Insel | |
"Alltag im Kulturhaus der Nationalen Front" | Götz Lehmann | |
"Erinnerungen zwischen Bühne, Tresen und Damenklo" | Sascha Lange | |
"NaTo" | Johanna Pasitka | |
"30 Jahre naTo...ein nostalgischer Blick zurück" | Jan Leonhardt | |
"Im Geist versetzt mit einem Schuss Anarchie" | Bert Noglik | |
"Veranstaltungsgastronomie - ein Thema für sich" | Jürgen Ackermann | |
"Wem dient(e) der Krieg?" | Julia Jänsch und Sophie Hanewinkel | |
"Ahornfelder - naTo - Leipzig - Sommer 2006" | Luise Langenhahn | |
"Verrucht" | Björn Achenbach | |
"Wie vertont man Bärlauch?" | Stephan König | |
"Leipzig kommt - beim Seifenkistenrennen" | Irina Hofmann | |
"Paul Fröhlich" | Johanna Pasitka | |
"Und zur Jahrtausendwendfeier wird die Mauer gesprengt! - Enteiszeit in der NATO" | Lutz Nitzsche Kornel | |
"Kritische Lieder und Eigenes" | Olaf Schubert | |
"Die naTo und das Haus der Volkskunst" | Christian Geschke | |
"Nigel Kennedy in der naTo - Mehr als eine fixe Idee von Falk und Torsten" | Ingrid Sonntag | |
"Ralph im Glück" | Vera Zimdars und Alban Mondschein | |
"Nicht mehr Seniorenclub" | Uli Doberenz | |
"ARCHE NATO" | Ines Agnes Krautwurst | |
"Kati Witt verwandelt sich in Max Goldt" | Donis | |
"Ein Fenster als sozialer Intelligenztest" | Günter 'Baby' Sommer | |
"Die Raucherhöhle" | Hilde Oltmanns | |
"Bitte hört nicht auf." | Barbara Klemm | |
"Place Car naTo 30" | Wolfgang Krause Zwieback | |
"Bin heute zum ersten Mal da! - Kellnern lernen in der naTo" ** | Steffi Lampe | |
"The Go-Betweens + American Music Club in der naTo" | Thorsten Giese | |
"Naziüberfall" | Kora Weber | |
"Elkes Nagelstudio und der Fußball-Cup der naTo" | Sabine Kaiser | |
"Und ein Blitz schlug ein" | Oliver Schöbe | |
"Tadashi Endo" | Jana Heistermann | |
"37,2" | Anne Harnisch | |
"Die NATO in Rammstein" | Flake | |
"Aus den Notizen von Peter Kopfler-Keyl" | Peter 'Auge' Lorenz | |
"Ein Superstar als Vorreiter des 'Ostwind' in der naTo - Czeslaw Niemen" | Jens-Paul Wollenberg | |
"Reaktionszeit" | Kurt Mondaugen | |
"Der ominöse Herr Kowalski" | Mark Daniel | |
"Titanic-Fest" | Saskia Richter | |
"Große Kunst auf kleiner Bühne" | Sindy Volkmann | |
"Speck macht schöne Haut" | Thomas Kolitsch | |
"Der Vorläufer. Klubhaus Arthur Hoffmann " | Rainer Kühn | |
"Das Front-Theater zeigt Rattenjagd von Peter Turrini" | Ralph Uwe 'Rulo' Lange | |
"Theaterturbine" | Peter A. Bauer | |
"Zwischen Personalausweis und Jazzkonzert" | Britta Schulze | |
"Zum FSJ Kultur aus Mecklenburg nach Leipzig" | Norma Tiedemann | |
"Neuling" | Magda Heyden | |
"Die Formel DRZK.w ä h u h° oder Wie sich eine Kürbis-Aktion in eine fünfbändige Dissertation verwandelte" | Oliver Schwerdt | |
"Leipzig Neunzig" | Christoph Abée | |
"Im Schlenderschritt zur Aufmerksamkeit" | Peter 'Auge' Lorenz | |
"die naTo" | Scharwel |